„Wir sind weiterhin für Euch da!“- Einblicke in unsere Arbeit in Zeiten von Corona

Den scheinbar banalen Satz „Wir sind weiterhin für Euch da!“ liest man derzeit oft in Schaufenstern von Geschäften. Und man hört ihn regelmäßig in den Nachrichten, gesprochen von Politikern, Ärzten und Unternehmern. Er ist inzwischen überlebenswichtig geworden. Denn: Es tut uns allen gut zu wissen, dass es „da draußen“ immer noch genügend Menschen gibt, die ihre eigenen Ängste und Existenznöte hinten anstellen, um für andere da zu sein.

Auch die Mitarbeiter*innen der Mobilen Praxis gehören zu diesen „Alltagshelden“. Mit großem Einsatz und unter hohem persönlichem Risiko sind sie weiterhin für die Kinder, Jugendlichen und Familien in der Region da. Und zwar sowohl in der ambulanten Erziehungshilfe (Stichworte: Tagesgruppen, Sozialcoaching für Kinder und Jugendliche, sozialpädagogische Familienhilfe), als auch im Schulbereich (Stichworte: Notbetreuung an Schulen, Schulsozialarbeit und Fortführung der Teilhabeassistenzen). Sie wenden Kindeswohlgefährdungen und Notlagen ab. Und sie geben täglich aufs Neue anderen Menschen Orientierung und Halt.

Zugegeben: Es ist eine große Herausforderung, zumal die Auflagen des Infektionsschutzgesetzes einzuhalten sind. Aber es gibt auch jeden Tag Lichtblicke und neue Erkenntnisse.

(Text: Katja Borowski)

Was bewegt die Mitarbeiter*innen der Mobilen Praxis in diesen Zeiten?

„Ich bin froh, dass ich noch arbeiten darf und mein Tagesablauf dadurch strukturiert ist. Seit die Schulen geschlossen haben, besuche ich meinen Klienten jeden Tag „zur Schulzeit“ zu Hause und wir machen dort gemeinsam die Schulaufgaben. Das bringt ihm, aber auch mir, ein Stück Normalität und Sicherheit in dieser „verwirrenden“ Zeit, die uns allen ein Umdenken abverlangt. Ich habe auch von anderen Kollegen aus dem Bereich der Teilhabeassistenz gehört, dass ihre Klienten viel mehr geleistet haben in diesen Wochen, als dies in der Schule möglich gewesen wäre. Es wäre toll, wenn wir diese Erkenntnisse zusammentragen und vielleicht etwas im System Schule ändern könnten. Privat bin ich als glückliche Hundebesitzerin viel in Feld und Wald unterwegs. Und die realen Kontakte, die ich aktuell habe, gewinnen an Bedeutung. Die Gespräche sind intensiver und tiefgründiger. Auch die zufälligen Begegnungen mit Bekannten – natürlich auf Abstand – erfreuen mich viel mehr. Es ist wichtig, diese Momente zu genießen, sie sind gut für das Herz.“ (Franziska Schmalkalt, Teihabeassistentin/ Schulbegleiterin)

 

 „Wir versuchen, jeden Tag positiv zur Arbeit zu gehen und die ruhige Atmosphäre zu nutzen. Wir können jetzt auch individuell auf die Kinder eingehen und mit ihnen spielen, basteln, Bücher lesen, ausgiebige Waldspaziergänge machen. Das wirkt sich auf die Kinder aus. Sie sind entspannt und haben schöne Ideen, und man lernt sich auch viel besser kennen. Allerdings wäre es schon schön, wenn man wüsste: ‚In drei Wochen ist es vorbei.’ Wir versuchen, verschiedene Momente mit Humor zu meistern und wir sind als Notbetreuungsteam dabei auch noch enger zusammen gerückt. Unsere Hoffnung für die Zukunft? Dass die systemrelevanten Berufsgruppen besser bezahlt werden und die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Und das wieder mehr Wert auf Zusammenhalt in den Familien gelegt wird.“ (Team der Notbetreuung an der Andersenschule in Eberstadt)

 

 „In der Sozialpädagogischen Familienhilfe weiß ich oft nicht, was mich heute „hinter der Tür“ erwartet. Das macht den Job so außergewöhnlich. Die Corona-Krise kam bei meinen Klienten erst in ihrem häuslichen Umfeld an, als ich nur noch mit Mundschutz und Handschuhen zu ihnen kam. Anfangs wurde ich ausgelacht, mittlerweile fragen sie nach. Viele von ihnen schauen keine Nachrichten, so dass die Sensibilisierung ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit wurde. Die Bedarfe in den Familien haben sich durch die Schließungen der Kitas und Schulen und durch den Wegfall der sozialer Kontakte und der Vereinsarbeit massiv verändert. Ich bringe Spiele mit in die Familien, bei denen plötzlich die Mutter mitspielt und Spaß mit ihren Kindern hat. Oder ich entlaste die Mütter, indem ich die Unmengen an Schularbeiten sortiere und mit den Kindern abarbeite. Ich schaue nun noch mehr darauf, wie es den Kindern geht. Welche Bedürfnisse haben sie, was kann ich beitragen, damit ihr Alltag strukturiert ist, wie viel Kontrolle ist nötig? Dazu brauche ich meinen Humor, meine Authentizität und meine Achtung vor den Möglichkeiten der Familien. Auf dem Heimweg singe ich dann laut mit dem Autoradio mit. Privat versuche ich, mich mit schönen Dingen zu entlasten. Ich arbeite in meinem Garten, fange wieder an Klavier zu spielen und wir haben als Familie wieder angefangen, gemeinsam Gesellschaftsspiele zu spielen. Es ist ein seltsamer Zustand zwischen Isolation und der Besinnung auf das Wesentliche.“ (Sabine Wilhelm, Sozialpädagogin und  systemische Beraterin, als Familienhelferin angestellt)

 

 „Beruflich ist es mir wichtig, das Positive in der Krise zu sehen – und zwar die viele gemeinsame Zeit mit den Kindern, die wir nutzen, um Projekte in Angriff zu nehmen, aber auch, um den Kindern ihre Ängste und Sorgen zu nehmen. Gemeinsam haben wir schon einige Insektenhotels, ein Gemüsebeet mit tollem buntem Zaun und eine Hütte im Wald gebaut. Die Kinder sollen später positiv auf diese schwere Zeit zurückblicken und sehen, was sie in dieser Zeit alles geschafft haben. Privat ist es mir sehr wichtig, engen Kontakt zu Familie und Freunden zu halten, wenn auch aus der Ferne via Telefon oder Videoanruf. Aktuell zeigt sich so deutlich wie noch nie, dass Beruf im Bereich Pflege, Gesundheitswesen und Soziales sehr wichtig sind. Ohne dieses Engagement würde unsere Gesellschaft deutlich schlechter funktionieren. Hier wünsche ich mir ab sofort nicht nur Anerkennung mit Worten, sondern auch von Seiten der Politik eine klare Aufwertung unserer Tätigkeit.
(Lena Kahrau, Sozialpädagogin, arbeitet in einer Tagesgruppe)