Teil 3 einer Interviewreihe zum Gewaltlosen Widerstand
Im ersten Teil der Interviewreihe haben Jenny Schmarewski und Eva Huber – beide Mitarbeiterinnen der Mobilen Praxis, erzählt, dass es beim Gewaltfreien Widerstand nicht um das Siegen geht, sondern es reicht beharrlich und mit langem Atem klar seine Haltung zu zeigen. Anhand der Leitsätze „Ich halte dich aus, ich bleibe bei dir“ und „Schmiede das Eisen, wenn es kalt ist“ haben die beiden im 2. Teil der Reihe erklärt, wie wichtig es ist, dem Kind zu signalisieren, dass man es nicht alleine lässt, auch wenn es herausfordernd ist.
In diesem 3. Teil der Reihe geht es um Netzwerke, Hilfe holen, „Sit Ins“ und Ankündigungen
Netzwerk bilden „Ich hole Hilfe ins Boot“
Bei dieser Methode des Gewaltlosen Widerstands ist es wichtig, dass die Erwachsenen ein Netzwerk bilden und sich andere Erwachsene als Unterstützer*innen hinzuholen. Das können die Großeltern, Lehrkräfte, Nachbarn, Freunde sein. Das Verhalten des Kindes wird öffentlich gemacht und die Unterstützer kommen dazu und bestärken die Worte der Erwachsenen. In der Mobilen Praxis wurden öfter auch schon die Köchin oder der Koch als Unterstützerin oder Unterstützer hinzugerufen. Sie sind bei den Kindern sehr präsent und beliebt und haben nochmal einen ganz anderen, eigenen Zugang zu den Kindern als die Pädagog*innen, sie kochen immer mal wieder das Lieblingsessen des Kindes.
Sit In: „Hast Du eine Idee?
Gemeinsam mit den Unterstützer*innen kann man sogenannte „Sit Ins“ machen. D.h. alle Unterstützer*innen sammeln sich im Zimmer des Kindes oder vor seiner Zimmertür oder vor der Wohnung/dem Haus oder in der Schule, einem Klassenzimmer oder Besprechungsraum. Es gibt viele verschiedene Settings für ein „Sit In“. Die Erwachsenen sagen zu Beginn des Sit-Ins: „Das Verhalten (z.B. Gewalt, Drogenkonsum, übermäßiges Zocken, Schule schwänzen, Mobbing, Vandalismus usw.) finden wir nicht in Ordnung. Wir akzeptieren das nicht mehr. Wie können wir das lösen? Hast Du eine Idee? Hast Du einen Vorschlag?“ Und dann warten alle Unterstützer*innen gemeinsam einen im Vorfeld abgesprochenen Zeitraum ab. 10 Minuten oder 3 Stunden, das kommt ganz auf das Alter des Kindes und die Situation an. Wichtig ist, die Erwachsenen sind präsent und klar und bleiben im gewaltlosen Widerstand und steigen nicht ein in Beschimpfungen, Verletzungen, Bestrafungen usw. . Wenn das Kind nicht bereit ist, nach einer Lösung zu suchen, dann kann man das nach der Wartezeit benennen: „Schade, heute haben wir keine Lösung gefunden. Wir kommen darauf zurück“. Dabei geht es nicht darum, dass unbedingt die Meisterlösung gefunden werden muss. Es geht darum, dass die Erwachsenen in ihrer Haltung gestärkt werden.
Ankündigungen „Wir haben gesagt, was gesagt werden musste“
Eine weitere Möglichkeit ist es, sich zu versammeln und eine Ankündigung zu verlesen. Eva Huber erzählt, dass es in der Schule, in der sie als Schulsozialarbeiterin tätig ist, eine Gruppe aus Jungs gab, die sehr herausfordernd waren und auch einen Jungen ihrer Gruppe massiv gedroht und gemobbt haben. Sie hat gemeinsam mit einem Kollegen, der die Gruppe mitbetreut sowie zwei weiteren Schulsozialarbeitskolleginnen die Gruppe Jungs eingeladen. Sie haben – als Beziehungsangebot- etwas zu essen besorgt, denn sie wussten, dass dies die Jungs freuen würden. Dann haben sie eine Ankündigung verlesen: „Dieses Verhalten werden wir hier nicht länger dulden. Wir dulden Gewalt – auch gegen Dinge – in keiner Weise. Wir wissen, dass ihr einen unter Euch massiv bedroht und mobbt. Das möchten wir nicht. Wir werden das nicht länger akzeptieren. Wir sehen uns nächste Woche.“ Bei der Ankündigung wird danach nicht diskutiert oder Fragen beantwortet. Mit einem „Wir haben gesagt, was gesagt werden musste“ wird auf das nächste Treffen verwiesen, bei dem dann weiter nach Lösungen gesucht wird.
Eva Huber berichtet von einem weiteren Vorfall. In diesem Fall ging es um eine sehr herausfordernde Klasse, in der praktisch kein normaler Unterricht mehr möglich war. Alle Lehrkräfte haben sich in der Klasse versammelt und gemeinsam einen Text verlesen. „Dieses Verhalten werden wir so nicht mehr dulden“ und dann sind sie wieder gegangen. Sie erinnert sich, wie beeindruckend es war, dass dies alle Lehrkräfte gemeinsam vorgetragen haben.
„Hilfreich ist es manchmal, Ankündigungen zu schreiben, um klar in seine eigene Haltung zu kommen, ohne dass diese jemals verlesen werden. Es hilft aber dabei, bei sich zu bleiben und sich nicht in die Eskalation hineinziehen zu lassen“, verraten Schmarewski und Huber.
Bereits veröffentlicht
Teil 1: „Gewalt akzeptieren wir in keiner Weise“– der lange Atem des Gewaltlosen Widerstands
Teil 2: „Ich hole Hilfe ins Boot“– von Sit Ins und Ankündigungen
Es folgt
Teil 4: Konkret gefragt Was, wenn das Kind nicht aufhört zu hauen? – von Wiedergutmachungen statt Entschuldigungen