Dotter-Zeit für Familien so gefragt wie noch nie

Jahresbericht Dotter-Zeit für Familien für das Jahr 2021

Sehr große Anfrage nach der Dotter-Zeit für Familien

Die Coronapandemie hat Familien viel abverlangt. Der Hilfe- und Unterstützungsbedarf ist auch in Eberstadt sehr groß. Im Coronajahr 2021 war die Dotter-Zeit für Familien so gefragt wie noch nie.

26 Familien wurden mit 416 Stunden über das Budget des Dotter-Café beraten. Die Familien, alles Besucherinnen des Cafe´s, meldeten sich während der wegen der Pandemie erforderlichen Schließungen und baten um Unterstützung. Von den weiteren 130 Familien wurden 21 über die Caritas und 78 Familien über die Mobile Praxis begleitet. Hinzu kommen 31 Familien, die über die Förderung in Kitas unterstützt wurden. Insgesamt konnte 156 Familien geholfen werden. Im Jahr 2021 wurden insgesamt 1 241,5 Stunden geleistet, plus die 416 Stunden über das Dotter Cafe´.

Vermittelt wurden die Dotter-Zeit 78mal über Schulen und die Schulsozialarbeit, 36mal über Kitas, 12mal über den Städtischen Sozialdienst, 6mal über Caritas, 5 über Kooperationen in Eberstadt wie das Kinderhaus, die Eberschaftshilfe und Therapeut*innen. 19 Familien haben sich selbst gemeldet.

Dies bestätigt die jahrelange Beobachtung, dass die engen Kooperationen in Eberstadt die Familien besser erreichen als eine reine-Komm-Struktur. Weiterhin zeigt sich, dass auch im Jahr 2021, in dem aufgrund der Corona-Pandemie viele Kooperationen gezwungenermaßen eingeschränkt und anderes als gewohnt stattfinden mussten, die Dotter-Zeit in Eberstadt bestens bekannt ist und von verschiedenen Stellen vermittelt wird.

Insbesondere während der Lockdowns, als die Schulen geschlossen waren, häuften sich Anfragen noch Unterstützung im Homeschooling. Hier sind viele Familien an ihre Grenzen gestoßen. Weitere Themen waren in Coronazeiten u.a. Förderung von Sozialkontakten, Unterstützung bei Behördengängen und Anträgen, Hilfe bei Erziehungsfragen, Hilfe bei Förderung in Kita und Elternhaus.

Die folgenden Fallbeispiele verdeutlichen die Vielfalt der Themen, die in der Dotter-Zeit bearbeitet werden.

Familie1

Selim (Name geändert) und seine Familien wurden an die Dotter-Zeit vermittelt, damit Selim in ein Freizeit-Angebot integriert wird, um seine Sozialkontakte zu fördern. Eine Mitarbeiterin der Mobilen Praxis hatte ihn bereits im März 2020 kennengelernt und in den Kinderchor der Kirche begleitet. Dann kam Corona und Singen war nicht mehr möglich. Da unsere Mitarbeiterin in der Selims Schule als Betreuerin arbeitet, fragt der Junge sie nun immer und immer wieder, wann es denn endlich wieder los gehen würde mit dem Singen.

Im November 2021 war es dann soweit. Selim ging mit unserer Mitarbeiterin endlich wieder zur Chorprobe bzw. er hüpfte dorthin, denn er war so voller Vorfreude, dass er den ganzen Weg gehüpft ist. An diesem Nachmittag und an allen folgenden war Selim wie ausgewechselt und gar nicht mehr mit dem oft wütendem, in Konflikten verwickeltem Kind von früher zu vergleichen. Als der Chor begann für das jährliche Krippenspiel zu proben, übernahm Selim die Rolle einer der drei heiligen Könige. Die Eltern und die Schwester haben sehr stolz die Aufführung am Weihnachtstag in der Kirche angeschaut. Dass Selim und seine Familie muslimisch sind, war weder für Selim, noch seine Eltern oder die Kirche ein Problem. Im Gegenteil alle waren froh, dass Selim etwas gefunden hat, das ihm so viel Freude macht und alle waren sich einig, dass Gott für alle da ist. 

Familie2

Im Februar erreicht uns eine Anfrage einer Grundschullehrerin für einen Schüler. Er sei oft müde im Unterricht und es werde ein übermäßiger Medienkonsum vermutet.  Der Kontakt mit der Familie war schnell hergestellt und die Hilfe begann innerhalb kürzester Zeit. Der Sohn berichtete ehrlich über seinen Medienkonsum und konnte mit der Betreuerin über Alternativen sprechen. Zusammen mit den Eltern wurden klare Absprachen getroffen: keine Medien nach 18 Uhr, dafür gemeinsame „Familien-Spiel-Zeit“ am Abend. Die Woche nach dem ersten Treffen berichtete die Familie, dass sie sich gut an die Abmachung haben halten können. Der Sohn gebe freiwillig Handy und Videospielkonsole ab und sei ausgeglichener. Er berichtete, dass er nicht mehr so müde sei und er sich besser auf die Schule konzentrieren könne. Zudem genieße er die gemeinsame Familien-Zeit am Abend. Es fanden noch zwei weitere Termine statt, in denen die Familie begleitet und unterstützt wurde Die Mutter berichtete, der Sohn habe vor der Dotter-Zeit sich nicht in seinen Medienkonsum reinreden lassen und sei bei Gesprächsversuchen sofort aufbrausend geworden. In den 4 Wochen der Dotter-Zeit habe er die Regeln aber gut angenommen und schnell akzeptiert.

Es hat eine andere Perspektive einer neutralen dritten Person als Impuls gebraucht. Durch die schnell gefundene, gemeinsame Ebene konnte dem Sohn gut gespiegelt werden, wie sich sein Verhalten in der Gegenwart, aber auch in Zukunft auswirken kann. Es wurde eine Basis geschaffen für ein reflektiertes Verhalten. So hat er zwar seine Medien am Abend aufgegeben, hat dafür aber wertvolle Zeit mit der Familie erhalten.

Familie 3

Eine Familie mit 6 Kindern besucht schon länger das Dotter-Café. Darüber entstand der Kontakt zur Dotter-Zeit für Familien. Es geht um Unterstützung der Familie bei Behördengängen und einer allgemeinen Erziehungsberatung. Die beiden ältesten Kinder sind in einer Schule in Eberstadt und halten dort zusätzlich über die Ganztagsbetreuung Kontakt zur Sozialarbeiterin der Mobilen Praxis.

Die Mutter erhielt nach langer Zeit in Deutschland ihren deutschen Pass und konnte nun endlich wieder verreisen. Ihr war es sehr wichtig, ihre Familie wieder zu sehen, und sie beschloss im April 2021 mit ihrem ältesten Sohn in ihr Heimatland zu fliegen. Dort angekommen, möchte der Sohn nicht mehr nach Hause. Die Mutter war damit nicht einverstanden, konnte den Sohn aber nicht überzeugen, mit ihr zurück nach Deutschland zu kommen. In ihrer Not wand sich vertrauensvoll an die Sozialarbeiterin. Nach zwei Telefonaten, erst eine halbe Stunde mit der Mutter, am nächsten Tag 2-stündig mit Mutter und ihrem Sohn, blieb der Sohn zunächst bei seiner Entscheidung, dass er ein Jahr bei seinen Cousins bleiben und dort zur Schule gehen möchte. Letztendlich hat ihn jedoch das Argument überzeugt, dass er ja hier in Deutschland nur noch ein Jahr bis zu seinem Abschluss hat, und er danach frei ist, nach Südafrika zu reisen. Die Mutter und die Sozialarbeiterin waren sehr froh über diese Entscheidung.

Familie 4

Eine Schülerin einer weiterführenden Schule besuchte nur noch unregelmäßig bis gar nicht die Schule. Die Schulsozialarbeit vereinbarte mit der Mutter, dass eine Dotter-Zeit installiert wird. Über die Sommerferien gab es mehrere Termine, um die Problemlagen der Familie zu analysieren und anzugehen. Parallel lief ein Antrag beim Jugendamt, um eine Jugendhilfe – Maßnahme zu beginnen. Nach den Sommerferien gab es ein Gespräch mit der Schule und der Abmachung, dass die Schülerin zunächst in den Auszeitraum, einem Angebot der Schule, kommen kann. Sie schaffte es für ein paar Tage, auf dem Schulgelände zu bleiben und Arbeitsaufträge nachzuholen. Das Jugendamt wird nun auch tätig und es findet eine Übergabe statt. Obwohl damit die Dotter-Zeit beendet war, besteht für die Mutter und die Schülerin weiterhin ein wichtiger, vertrauensvoller Kontakt zur Schule und somit eine weitere Ressource, damit ein regelmäßiger Schulbesuch erreicht werden kann.

Die Fallbeispiele verdeutlichen gut, dass die Dotter-Zeit für Familien frühzeitig niederschwellige Hilfe anbieten und bei der Klärung von Konflikten helfen. Durch die unbürokratische schnelle Vermittlung kann vielen Familien geholfen werden, bevor Probleme und Konflikte zu groß werden. Wenn der Hilfebedarf größer ist, erfolgt eine Weitervermittlung an das Jugendamt oder andere Hilfen. Dies funktioniert gut und auch hier ist eine schnelle Hilfe über die Dotter-Zeit, bevor die anderen Hilfen anlaufen, sehr wertvoll.

Deutlich wird auch, dass die Vermittlung aus der Schulsozialarbeit oder dem Dotter-Café oder anderen Stellen sehr gut funktionieren und hier zwischen den verschiedenen Institutionen eine gute Basis für die Zusammenarbeit besteht.

Die Zahl der Anfragen ist nach wie vor hoch. Auch im Jahr 2022 ist der Bedarf ungebremst hoch. Die Dotter-Zeit für Familien ist ein etabliertes und wichtiges Hilfsangebot in Eberstadt.